Mit dem guten Gewissen ist das so eine Sache

Es ist verwirrend. Wir Menschen neigen anscheinend dazu, andere Menschen zu klassifizieren. Wir selber stehen natürlich am liebsten immer gut da, mit unserem Verhalten gehen wir ganz offen um und sagen womöglich auch jedem die (!), nämlich unsere Meinung. Das ist fragwürdig, selbst wenn wir uns auf den ersten Blick anständig benehmen. Zum Beispiel hat, wer jetzt zu Hause oder in der Nähe seinen Urlaub verbracht hat, anscheinend allen Anlass über jene zu schimpfen, die mit Billigflugreisen oder Kreuzfahrtschiffen unterwegs waren, und die Umwelt dadurch viel stärker belasteten. Doch an dieser Stelle ist nicht nur die Warnung vor Selbstgerechtigkeit angebracht, sondern auch die Mahnung zur Kritik gegenüber dem eigenen Verhalten.

Ein paar Beispiele aus dem Alltag mögen dies zeigen: Da kaufen wir energieeffiziente Geräte und lassen sie unnötig laufen. Also, erst Energie sparen, unter Umständen für die Anschaffung mehr Geld ausgeben, und dann Energie verschwenden, weil wir zu bequem sind, den Ausschalter zu betätigen. Oder wir lassen „das Licht brennen“, obwohl niemand im Raum ist, denn wir verwenden ja energieeffiziente LED-Lampen. Oder wir haben den super energiesparenden Kühlschrank gekauft, lassen ihn aber mit unnötig niedrigen Temperaturen laufen, obwohl sieben bis acht Grad Kühltemperatur völlig ausreichen. Oder wir schaffen Haushaltsgeräte mit den besten Energieklassen an, aber lassen die Waschmaschine dann mit höherer Temperatur oder halb gefüllt laufen, ebenso den Geschirrspüler. Es scheint so zu sein, als hätten wir quasi ein gutes Gewissen aufgrund unseres energiesparenden Kauf- und Gebrauchsverhaltens oder unserer Urlaubs- und Reisegewohnheiten. Damit können wir dann anderen gegenüber glänzen oder ihnen Vorhaltungen machen. Aber dieses vermeintliche oder auch durchaus tatsächliche Wohlverhalten kann dazu führen, sorgloser oder verschwenderischer zu sein. Wer denkt, er habe unter ökologischen Gesichtspunkten eine saubere Weste, ist nicht selten dazu verleitet, sich hier und da mal eine Ausnahme zu gönnen und Energie zu verschwenden.

Bitte ärgern Sie sich jetzt nicht! Wir wollen Ihnen den Urlaubsflug nicht vermiesen, die Fahrten mit dem neuen, größeren Auto auch nicht. Doch wir sollten uns alle miteinander davor hüten, uns in die eigene Tasche zu lügen. Tatsächlich sind solche Verhaltensweisen sehr verbreitet uns inzwischen Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Forschung spricht vom Rebound-Effekt. Damit ist das auf den ersten Blick rätselhafte bzw. paradoxe Phänomen gemeint, dass Energiesparen den Verbrauch erhöhen kann. Im Internet schreibt das Bundesumweltamt darüber (www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte) unter anderem: „Haushaltsgeräte verbrauchen heute zwar weniger Strom als noch vor dreißig Jahren. Dafür besitzen wir aber auch mehr Elektrogeräte als früher. Sind Geräte effizienter, tendieren wir außerdem dazu, sie häufiger oder länger zu benutzen. Dieses Phänomen nennt sich ‚Rebound-Effekt‘.“ Weiter wird erläutert, dass durch die Steigerung der Effizienz Produkte mit weniger Ressourcenverbrauch entstehen, die oft weniger kosten. Das hat Rückwirkungen auf das Kaufverhalten und den Gebrauch der Produkte. Wenn z. B. Pkw durch Effizienzsteigerungen günstiger in der Anschaffung und im Verbrauch werden, wird gern ein größeres Modell gewählt. Und wenn ein Auto weniger Sprit braucht, werden mehr Wege damit zurückgelegt. Oder das beim Pkw eingesparte Geld wird zum Beispiel für Flugreisen ausgegeben - das heißt dann „indirekter Rebound“.