Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nein, wir fügen den vielen Kommentaren zur Bundestagswahl nicht noch einen weiteren hinzu. „Wahl“, „Wahltermin“, „Wahlentscheidung“ oder „Wahlergebnis“ sind ohnehin Ausdrücke, die den falschen Eindruck erwecken, es handele sich um einzelne Ereignisse, mit denen etwas Abgeschlossenes markiert würde. Das sind aber nur Aspekte eines größeren Zusammenhangs. Wahl ist bzw. Wahlen sind nämlich eigentlich immer. Richtiger, mit dem Tätigkeitswort ausgedrückt, müsste es heißen: Wir wählen immer.
Bleiben wir bei unserer gewohnten Thematik: Sie sind es, die jederzeit wählen, wie viel Energie Sie verbrauchen bzw. wie effizient Sie Energie nutzen. Sie entscheiden – zumindest weitgehend -, wofür Sie Ihr Geld ausgeben. Sie haben die berühmte „Qual der Wahl“ aus einem sehr großen Angebot an Produkten, Geräten und Verhaltensweisen diejenigen auszuwählen, die zu Ihnen passen und die sie mit guten Gründen auch vertreten können. Ja, da gilt es jeden Tag und immer wieder zu entscheiden: Bei Neuanschaffungen von Geräten (da hilft das EU-Label), beim Einkauf von Lebensmitteln (für regionale Produkte wird wenig Energie für den Transport gebraucht, für frische Produkte weniger Energie für die Lagerung), bei der Körperpflege (Duschen braucht weniger Wasser und Energie als ein Bad in der Wanne), bei der Wahl der Verkehrsmittel, bei nachhaltiger Nutzung von Kleidung und Möbeln und so weiter und so fort.
Jetzt kommen natürlich berechtigte Einwände. „Ja, wenn ich könnte, wie ich wollte...“, sagen manche. Wie es scheint, ist jede Wahl eingeschränkt. Da ist was dran. Mit der Wahlfreiheit verhält es sie womöglich wie mit der Freiheit überhaupt. Wer uneingeschränkt zu wählen oder uneingeschränkt frei zu sein beansprucht, wird schnell an Hindernisse und Grenzen stoßen, also reichlich Gelegenheit finden, festzustellen, er könne gar nicht wählen und sei gar nicht frei. Aber das wäre falsch! Von „wählen“ und „frei sein“ sinnvoll zu reden, scheint gewisse Beschränkungen vorauszusetzen. In diesem Zusammenhang ist gelegentlich von einem „Spielraum“ die Rede. Wie beim Schachspiel: Es gibt eine sehr große, wenn auch nicht unendliche Vielzahl von Möglichkeiten, mit den Schachfiguren Züge auf dem – ebenfalls begrenzten – Schachbrett zu tätigen. Dabei müssen Regeln befolgt werden, die die Wahl- und Handlungsfreiheit jedes Spielers einschränken. Wie beim Schach besteht auch im Leben überhaupt die Freiheit darin, innerhalb des Spielraums und im Rahmen der Spielregeln zu wählen, was man tun und was man haben möchte.
So ähnlich verhält es sich mit gesetzlichen Vorschriften, aber auch mit Regeln des Anstands, die nirgendwo ausdrücklich festgehalten sind. Es gibt Regeln, die die Wahlfreiheit einschränken, dafür aber auch Orientierung bieten, wenn wir unsicher sind oder Gefahr laufen, Fehler zu machen. Denn so ganz sicher ist keiner, und jede (Wahl-)Entscheidung birgt Risiken und Nebenwirkungen. Dem österreichischen Satiriker Karl Kraus wird das schöne Zitat zugeschrieben: "In Zweifelsfällen entscheide man sich für das Richtige." Na also!